Haftung für Ratschläge und Handlungsempfehlungen in den Medien

In den Medien werden gerne Ratschläge erteilt und besseres Wissen verbreitet. Hält sich ein Medienkonsument dann an einen erteilten Ratschlag und tritt bei ihm dadurch ein Schaden ein, besteht regelmäßig die Frage nach der Ersatzpflicht des jeweiligen Medienanbieters. Tatsächlich sind Schadensersatzansprüche in der Praxis selten, da die "Ratschläge" in der Regel abstrakt abgefasst sind und dem Konsumenten so ein eigenverantwortliches Verhalten unterstellt werden kann.

Schadenersatzansprüche können sich generell einmal aus sogenannten deliktischen Anspruchsgrundlagen und zum anderen aus vertraglichen Regelungen ergeben. Ein deliktischer Schadenersatzanspruch setzt voraus, dass ein hoheitlich geschütztes Rechtsgut wie Eigentum oder Gesundheit schuldhaft verletzt und dadurch adäquat-kausal ein entsprechender Schaden entstanden ist.Dies ist zum Beispiel regelmäßig bei einem Verkehrsunfall der Fall, wenn ein Verkehrsteilnehmer die Vorfahrt übersieht, mit einem vorfahrtsberechtigten PKW kollidiert und es so schuldhaft zu Blech- und gelegentlich auch zu Körperschäden kommt.

Das Vermögen als solches ist - anders als beispielsweise Eigentum und Gesundheit - nicht von deliktischen Schadenersatzansprüchen erfasst. Tritt ein Vermögensschaden ein, so kann dieser als deliktischer Schadenersatzanspruch dann geltend gemacht werden, wenn der Schaden im Zusammenhang mit einer entsprechenden Straftat eingetreten ist, beispielsweise im Zusammenhang mit einem Betrug oder einer Untreuehandlung.

In dem durch den BGH zu beurteilenden Fall „Carter-Robbins-Test“ kam es zu einer medizinischen Fehlbehandlung, so dass ein Körperschaden angenommen wurde und so das Vorliegen eines deliktischen Schadenersatzanspruches zu prüfen war:

 

BGH, 07.07.1970, VI ZR 223/68, Carter-Robbins-Test

In einem medizinischen Nachschlagewerk hat ein Medizinprofessor den Carter-Robbins-Test beschrieben. Dieser Test besteht aus einer Infusion von 630 ccm einer 2,5 %-igen Kochsalzlösung binnen etwa einer Stunde und einer anschließenden Beobachtung von Messwerten. In der Beschriftung des Diagramms zu dem Test wurde ein Komma in dem Buch vergessen, so dass statt 2,5 % angegeben wurde: 25 %.

In einem Kreiskrankenhaus wurde der Test mit einer 25 %-igen Lösung durchgeführt, anschließend wurde der Patient nur mit Mühe gerettet. Der Patient hat sodann seine Ansprüche gegen das Krankenhaus geltend gemacht und wurde entschädigt. Die Ansprüche wurden dann durch die durch Abtretungen zur Anspruchsinhaberin gewordene Versicherung gegenüber dem beklagten Verlag geltend gemacht.

Der BGH wies die Klage als unbegründet ab. Der Verkehr dürfe bei Druckwerken nicht auf die völlige Freiheit von Druckfehlern vertrauen. Jedenfalls das Auftreten einzelner Druckfehler – eine Häufung von Druckfehlern war nicht vorgetragen worden – lasse nicht bereits den Schluss zu, dass der für die Korrektur Verantwortliche die im Verkehr erforderliche Sorgfalt vernachlässigt und also schuldhaft gehandelt habe. Der Verlag durfte auch darauf vertrauen, dass der Autor seiner Kontrollpflicht nachkommt und entsprechend von einer verkehrsgerechten Arbeitsteilung ausgehen.

Es mag Druckwerke geben, deren Inhalt und Zweckbestimmung es nötig machen, auf Druckfehler in ganz besonderem Maße zu achten. Hierzu mögen im medizinischen Bereich möglicherweise Anweisungen für die Dosierung gefährlicher Medikamente und für ungewöhnliche, bislang nicht bekannte und gefährliche Eingriffe zählen. Eine Sorgfaltspflichtverletzung des Verlags würde auch in solchen Fällen nicht bereits darin liegen, die Korrektur dem Verfasser zu überlassen. Es könnte auch hier genügen, sich zu vergewissern, dass der Autor die besonderen Sicherheitsvorkehrungen umzusetzen bereit und fähig ist.

Hinsichtlich der zu behandelnden Situation führte das Gericht aus, dass das Buch zwar als Nachschlagewerk bezeichnet und genutzt wird, dass aber eine intravenöse Infusion von Kochsalzlösungen als solche kein für einen Arzt ungewöhnlicher Eingriff ist. Jedem Arzt hätte die Unverträglichkeit von fast 160 g binnen eines kurzen Zeitraums in den Blutkreislauf verbrachten Kochsalz für den menschlichen Körper geläufig sein müssen. Wenn dem aber so ist, so bestand, so der BGH, „kein Anlass, zur Vermeidung eines Stellenfehlers bei der Konzentrationsangabe im Diagramm außerordentliche Vorkehrungen zu treffen“.

 

Zivilrechtliche Ansprüche aufgrund von erteilten Ratschlägen werden im Zusammenhang mit Medienprodukten einmal mit Blick auf den Kaufvertrag des jeweiligen Medienproduktes sowie unter Bezugnahme auf einen besonderen, im Einzelfall dann mit dem Bezug des Medienproduktes zusammen abgefassten Beratungsvertrag hergeleitet.

Bis heute wird die Herleitung der Ansprüche aus Kauf- oder Beratungsvertrag auf die BGH-Entscheidungen „Nottestaments-Mappe“ und „Abonnentenberatung“ bezogen:

 

BGH, 14.03.1973, VIII ZR 137/71, „Nottestaments-Mappe“

Ein Verlag gab eine für Kommunalverwaltungen vorgesehene „Nottestaments-Mappe“ heraus, die genaue Anleitungen an die Bürgermeister für die Errichtung von Nottestamenten enthielt. In der Mappe wurden Hinweise mitgeteilt, was zur Vermeidung von Nichtigkeiten eines Testaments vorzunehmen sei.

Unter Beachtung der Hinweise wurde ein Testament erstellt, das sich im Anschluss erfolgreich angefochten wurde. Die vergeblich in dem angefochtenen Testament bedachte Erbin wurde durch die Versicherung der Kommune entschädigt, die Versicherung machte anschließend den an die vergeblich vorgesehene Erbin ausgezahlten Betrag gegenüber dem Verlag als Schadenersatzanspruch geltend.

Der BGH führte hierzu aus, dass beim Kauf der Mappe die inhaltliche Richtigkeit und Zuverlässigkeit der in der Mappe verkörperten Anleitung im Sinne des BGB zugesichert war, was sich allein schon aus der besonderen Art des Druckwerks und dem von den Vertragsteilen bei Kaufabschluss als selbstverständlich zu Grunde gelegten Verwendungszweck ergebe. Die Mappe war gerade dafür hergestellt worden, in ländlicher Abgeschiedenheit formrichtig und in Eile geltende Testamente durch Rechtsunkundige Gemeindebeamte erstellen zu können. Darauf richtete sich auch die Werbung der Mappe.

Fehlt der verkauften Mappe eine zugesicherte Eigenschaft, so kann die klagende Gemeinde Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen, der Anspruch der Versicherung gegen den Verlag wurde bejaht. Die Klage wurde in dem zu entscheidenden Fall dennoch abgewiesen, da der Anspruch bereits verjährt war.

 

BGH, 08.02.1978, VIII ZR 20/77, „Abonnenten-Beratung“

Ein Verlag hatte einen „Hanseatischen Börsendienst“ herausgegeben und zweimal wöchentlich an Abonnenten ausgeliefert. Zu dem Dienst wurde neben den reklamehaften üblichen Aussagen angegeben, dass „die Bezieher u. a. über die von einem „Team hochqualifizierter, erfahrener Spezialisten“ ausfindig gemachten außergewöhnlichen Börsenchancen unterrichtet und ihnen „sorgfältig geprüfte Verdienstvorschläge in jeder einzelnen Ausgabe“ unterbreitet werden.

Gegenstand des Rechtsstreits war eine Anlageempfehlung, die nachweislich unter Außerachtlassung maßgeblicher Recherchemöglichkeiten und Kontrollpflichten ausgegeben worden war. Hierdurch war einem Anleger ein Schaden entstanden, der in dem Verfahren geltend gemacht wurde.

Der BGH führte dazu aus, dass eine Würdigung der Informationen aus dem Börsenbrief und die Bemessung der fehlerhaft erteilten Empfehlungen nicht nach Kaufrecht erfolgen können, da dies den Besonderheiten eines Abonnentenvertrages nicht gerecht werde.

In dem hier gegebenen Einzelfall würde sich der Abonnentenvertrag als ein gemischter Vertrag besonderer Art darstellen, bei dem jede Einzelverpflichtung nach den für sie maßgeblichen Bestimmungen zu bemessen ist. Eine dieser Verpflichtungen ist die Übernahme einer entgeltlichen Beratungspflicht im Gesamtkontext des Abonnentenvertrages, wie dies entsprechend in der Bewerbung und Beschreibung des Dienstes beschrieben und durch den Verlag geleistet werden sollte. Die Verpflichtung zur Beratung war für die von dem Verlag übernommene Leistungsverpflichtung und damit für die von dem Verlag anzuwendende Sorgfalt maßgebend.

Nach den Feststellungen des Tatsachengerichts hatte der zuständige Redakteur bei der ungenauen Recherche zu einer Anlageempfehlung grob fahrlässig seine Verpflichtungen zur sorgfältigen Erstellung der Anlageempfehlungen verletzt, was dem Verlag nach § 278 BGB zuzurechnen war. Der entstandene Schaden musste durch den Verlag erstattet werden.

 

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass in Einzelfällen eine deliktische Haftung für in Medienprodukten gegebene Ratschläge und Handlungsempfehlungen bestehen kann. Eine vertragliche Haftung kann dann gegeben sein, wenn sich aus der genauen Positionierung des Werkes eine bestimmte Richtigkeit als zentrale und maßgebliche Eigenschaftsfestlegung für das jeweilige Werk herleiten lässt, oder wenn aufgrund der Gesamtkonstellation über einen Kaufvertrag zu dem Produkt hinaus eine überschießende Beratungsvereinbarung angenommen werden muss. In jedem Einzelfall ist gesondert und umfänglich zu prüfen, ob sich aus der tatsächlich gegeben Konstellation ein entsprechender Ersatzanspruch herleiten lässt.