BGH, 06.02.2018, VI ZR 76/17: Supermarktbilder Christian Wulff Zeitgeschichte

Der vormalige Bundespräsicent Christian Wulff war beim Einkauf in einem Supermarkt fotografiert worden. Das Foto wurde in einem Magazin des Bauer-Verlags veröffentlicht, im Zusammenhang mit einer zuvor verbreiteten Nachricht über eine Versöhnung im Hause Wulff.

Daraufhin wurde der Verlag auf Unterlassung der Nutzung der ungenehmigten Fotos verklagt.

Der BGH wies die Klage in letzter Instanz ab und führte dazu aus:

Die veröffentlichten Fotos waren dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG) zuzuordnen und durften deshalb von der Beklagten auch ohne Einwilligung des Klägers (§ 22 KunstUrhG) verbreitet werden, da berechtigte Interessen des Abgebildeten damit nicht verletzt wurden. Die Vorinstanzen hatten die in besonderer Weise herausgehobene Stellung des Klägers als ehemaliges Staatsoberhaupt, den Kontext der beanstandeten Bildberichterstattung sowie das Ausmaß der vom Kläger in der Vergangenheit praktizierten Selbstöffnung nicht hinreichend berücksichtigt und deshalb rechtsfehlerhaft dem Persönlichkeitsrecht des Klägers den Vorrang vor der durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Pressefreiheit der Beklagten eingeräumt.

Die herausgehobene politische Bedeutung des Klägers als Inhaber des höchsten Staatsamtes und das berechtigte öffentliche Interesse an seiner Person endeten nicht mit seinem Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten; die besondere Bedeutung des Amtes wirkt vielmehr nach. Auch nach seinem Rücktritt erfüllt der Kläger, der als "Altbundespräsident" weiterhin zahlreichen politischen und gesellschaftlichen Verpflichtungen nachkommt, Leitbild- und Kontrastfunktion auch in der Normalität seines Alltagslebens. Im Zusammenhang mit der - nicht angegriffenen - Textberichterstattung leisteten die Veröffentlichungen einen Beitrag zu einer Diskussion allgemeinen Interesses. Sie nehmen Bezug auf die vom Kläger selbst erst einige Tage zuvor durch Pressemitteilung bestätigte Versöhnung mit seiner Frau. Gegenstand der Berichterstattung ist darüber hinaus die eheliche Rollenverteilung. Die Fotos bebildern dies und dienen zugleich als Beleg. Ferner war zu berücksichtigen, dass der Kläger sein Ehe- und Familienleben in der Vergangenheit immer wieder öffentlich thematisiert und sich dadurch mit einer öffentlichen Erörterung dieses Themas einverstanden gezeigt hat. Zudem betreffen die zur Einkaufszeit auf dem Parkplatz eines Supermarktes und damit im öffentlichen Raum aufgenommenen Fotos den Kläger lediglich in seiner Sozialsphäre.

Den entgegenstehenden berechtigten Interessen des Klägers kommt demgegenüber kein überwiegendes Gewicht zu (§ 23 Abs. 2 KunstUrhG). Die Fotos weisen keinen eigenständigen Verletzungsgehalt auf, sondern zeigen den Kläger in einer unverfänglichen Alltagssituation und in der Rolle eines fürsorgenden Familienvaters.