LG Hamburg, 08.12.2017, 324 O 72/17: Eigenwiedergabe von Aufnahmen steht Bildrecht nicht zwingend entgegen

Auf einer Gala wurden Bilder der Kinder des Models HK hergestellt.

Die minderjährigen Kinder wurden auf dem roten Teppich vor der Gala und im Kinderbereich backstage gefilmt, die Aufnahmen in Onlinebeiträgen im Internet verbreitet.

Die beklagten Medienanbieter trugen vor, dass die klagenden Kinder durch HK umfangreich in der Öffentlichkeit präsentiert wurden und so eine Einstellung in die Öffentlichkeit bestehe und die Kinder als Personen der Zeitgeschichte zu betrachten seien. Dadurch solle eine Berechtigug für diese Medien gegeben sein, die klagenden Kinder als Personen in der Öffentlichkeit zu zeigen.

Das LG Hamburg führte dazu wörtlich aus:

Die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen ist nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen. Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden, § 22 S. 1 KUG. Die Veröffentlichung des Bildes von einer Person begründet grundsätzlich eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die nicht von der Einwilligung des Abgebildeten gedeckte Verbreitung seines Bildes ist nur zulässig, wenn dieses Bild dem Bereich der Zeitgeschichte oder einem der weiteren Ausnahmetatbestände des § 23 Abs. 1 KUG positiv zuzuordnen ist und berechtigte Interessen des Abgebildeten nicht verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG). Dabei ist schon bei der Beurteilung, ob ein Bild dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist, eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 I GG, Art. 10 EMRK andererseits vorzunehmen (vgl. BGH GRUR 2007, 899 Rn. 17 - Grönemeyer, BGH GRUR 2015, 816 Rn. 14; Pentz, AfP 2013, 20, 23 f.). Maßgebend für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, ist der Begriff des Zeitgeschehens. Der Begriff des Zeitgeschehens darf nicht zu eng verstanden werden. Im Hinblick auf den Informationsbedarf der Öffentlichkeit umfasst er nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern ganz allgemein das Zeitgeschehen, also alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Er wird mithin vom Interesse der Öffentlichkeit bestimmt. Zum Kern der Presse- und der Meinungsbildungsfreiheit gehört es, dass die Presse innerhalb der gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum besitzt, in dem sie nach ihren publizistischen Kriterien entscheiden kann, was öffentliches Interesse beansprucht, und dass sich im Meinungsbildungsprozess herausstellt, was eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ist, wobei sogar unterhaltende Beiträge davon nicht ausgenommen sind. Ein Informationsinteresse besteht jedoch nicht schrankenlos, vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt (vgl. BGH, GRUR 2017, 302, 303 - Wowereit m.w.N.). Es bedarf mithin einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen. Die Belange der Medien sind dabei in einen möglichst schonenden Ausgleich zum Persönlichkeitsschutz des von einer Berichterstattung Betroffenen zu bringen, insbesondere zum Schutz des Kernbereichs der Privatsphäre. Bei der Gewichtung des Informationsinteresses im Verhältnis zu dem kollidierenden Persönlichkeitsschutz kommt dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu. Entscheidend ist insbesondere, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen, oder ob sie - ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis - lediglich die Neugier der Leser oder Zuschauer nach privaten Angelegenheiten prominenter Personen befriedigen. Der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung ist im Gesamtkontext, in den das Personenbildnis gestellt ist, zu ermitteln, insbesondere unter Berücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung. Daneben sind für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes der Anlass der Berichterstattung und die Umstände in die Beurteilung mit einzubeziehen, unter denen die Aufnahme entstanden ist. Auch ist bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird (vgl. BGH GRUR 2017, 302, 303 f. - Wowereit). Nach diesen Grundsätzen ergibt sich, dass die Verbreitung der streitgegenständlichen Videoaufnahmen (2.) und Fotos (3.) unzulässig war.

Eine konkludente EInwilligung wurde durch das Gericht ebenfalls abgelehnt, die Verbreitung der AUfnahmen erfolgte so rechtswidrig.