Freie Mitarbeiter - Abgrenzung zur Scheinselbständigkeit [02/2018]

Wird eine beauftragte Person für jemand anderes gegen Entgelt tätig, so kann die Vertragsbeziehung rechtlich unterschiedlich qualifiziert werden. Es kann sich um eine selbstständige Tätigkeit der beauftragten Person oder um eine unselbstständige Tätigkeit im Sinne eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses (Arbeitnehmertätigkeit) handeln.

Für die rechtliche Qualifizierung eines Vertragsverhältnisses über die entgeltliche Erbringung von Leistungen kommt es neben der zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarung entscheidend auf die tatsächliche Durchführung der Vertragsbeziehung an. So ist es möglich, dass zwar eine vertragliche Vereinbarung über die Erbringung selbstständiger Tätigkeiten vorliegt (da dies im Vertrag ausdrücklich festgelegt ist), aber bei einer Betrachtung der tatsächlichen Umstände der Beauftragte als abhängig Beschäftigter einzuordnen ist (also sogenannter „Scheinselbstständiger“ ist). Eine solche Einordnung hat wiederum weitreichende Konsequenzen für die rechtliche Beziehung der Vertragspartner untereinander sowie für die rechtlichen Verpflichtungen gegenüber staatlichen Stellen.

                                       

1.          Rechtliche Folgen des Vorliegens einer Scheinselbstständigkeit

Kurz zusammengefasst sind folgende Konsequenzen einer Scheinselbstständigkeit gesetzlich vorgesehen:

 

·        Im Falle der Scheinselbstständigkeit wird der zu Grunde liegende Vertrag als Arbeitsvertrag nach § 611a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)klassifiziert. Dies hat regelmäßig zur Folge, dass zwischen den Parteien ein unbefristeter Arbeitsvertrag als geschlossen gilt, da eine schriftliche Befristung des Arbeitsverhältnisses nicht vorliegt. Dementsprechend gelten insbesondere die gesetzlichen Kündigungsvorschriften.

 

·        Sozialversicherungsrechtlich ist die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen möglich. Mit einem Arbeitsverhältnis ist eine Gesamtsozialversicherungspflicht betreffend Kranken-, Pfleg-, Arbeitslosen- und Unfallversicherung verbunden. In der Regel hat der Auftraggeber/ Arbeitgeber sowohl den Arbeitgeber- als auch den Arbeitnehmeranteil zu tragen.[1]Nach § 25 des Vierten Sozialgesetzbuches (SGB IV) verjähren die Ansprüche auf Zahlung von Sozialbeiträgen in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Bei Vorsatz, also wenn der Auftraggeber sich im Klaren über die Arbeitnehmereigenschaft ist, verjähren die Ansprüche erst in dreißig Jahren.

Zudem sind Säumniszuschläge nach § 24 Abs. 1 SGB IV in Höhe von 12 % pro Jahr zu zahlen.

 

·        Steuerrechtlich besteht eine mögliche Haftung/ Nachzahlungspflicht des Auftraggebers für nicht abgeführte Lohnsteuer und die Berichtigung der Umsatzsteuererklärungen für den entsprechenden Zeitraum der Tätigkeit. Nach § 42d Einkommensteuergesetz (EStG) haftet der Arbeitgeber für zu Unrecht nicht einbehaltene und daher nicht angemeldete und abgeführte Lohnsteuer. Es kommt dabei nicht auf ein Verschulden des Arbeitgebers an.

Die Lohnsteuerzahlungspflicht kann sich auch auf andere Zuwendungen des Auftraggebers an den Beschäftigten erstrecken (wie z.B. Überlassung von Speisen), da dies zu einem  Zufluss von Arbeitslohn führt.[2] Auch die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen kann zu einer steuerpflichtigen Lohnzuwendung seitens des Auftraggebers führen.[3]

Daneben sind Zinsforderungen im Hinblick auf die Steuer nach § 233a Abgabenordnung (AO) möglich.

 

·        Strafrechtlich steht eine mögliche Sanktion wegen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen gemäß § 266a Strafgesetzbuch (StGB) im Raum.

Zudem kann bei vorsätzlichem Handeln eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung nach § 370 AO und bei leichtfertigem Handeln eine Ordnungswidrigkeit nach § 378 AO vorliegen.

 

·        Daneben ist es möglich, dass sich ein scheinselbstständiger Auftragnehmer auf arbeitsrechtliche Schutznormen stützt und entsprechende Ansprüche gegenüber dem Auftraggeber geltend macht. Hierzu gehören etwa Rechte aus dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG), dem Mutterschutzgesetz (MuSchG), dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) oder dem Bundesurlaubsgesetz (BurlG).

 

·        Hinsichtlich der Vergütung einer scheinselbstständigen Person ist ein Rückzahlungsanspruch wegen zu viel gezahlten Honorars grds. möglich. Dieser Anspruch auf Zahlung der Summendifferenz zwischen den Honorarzahlungen und eigentlich arbeitsvertraglich geschuldeter Vergütungsansprüche folgt daraus, dass der Honorarvertrag als Rechtsgrundlage weggefallen ist (vgl. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB). Ein solcher Anspruch besteht allerdings dann nicht, wenn sich der Auftraggeber darüber im Klaren war, dass er zur Zahlung eines Honorars, das den Arbeitslohn übersteigt, nicht verpflichtet war (vgl. § 814 Alt. 1 BGB).[4]

Umgekehrt ist es auch möglich, dass das Honorar den üblicherweise im Rahmen eines Arbeitsvertrages zu leistenden Lohn unterschreitet. In diesem Fall ergibt sich ein Anspruch des scheinselbstständigen Auftragnehmers aus § 612 Abs. 2 BGB.

 

Zu beachten ist zudem, dass dem Scheinselbstständigen ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung für den gesamten Zeitraum der Tätigkeit zusteht. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat im November 2017 entschieden, dass der Verfall des Urlaubsabgeltungsanspruchs von Scheinselbstständigen gegen Art. 7 Abs. 1 der EU Arbeitszeitrichtlinie verstößt (EuGH, Urteil vom 29.11.2017, C-214/16 – Conley King).

 

2.          Abgrenzung selbstständiger und unselbstständiger Tätigkeit

Der jüngst zum 01.04.2017 in Kraft getretene § 611a Abs. 1 BGB enthält eine gesetzliche Definition des Arbeitsverhältnisses:

 

Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.“

 

In dem neuen § 611a BGB sind die bereits zuvor von der Rechtsprechung anerkannten Abgrenzungskriterien bzgl. selbstständiger und unselbstständiger Tätigkeit kodifiziert worden.[5]

Ob eine für einen Auftraggeber tätige Person – ein freier Mitarbeiter o.ä. – als selbstständig oder unselbstständig Tätiger einzustufen ist, bestimmt sich nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts[6] anhand des § 84 Abs. 1 Satz 2 des Handelsgesetzbuchs (HGB). Nach dieser Vorschrift ist selbstständig,

wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann“.

Arbeitnehmer ist dagegen, wer

auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist.“[7]

 

3.          Abgrenzungsmerkmale nach der Rechtsprechung

Bei der Abgrenzung einer selbständigen Tätigkeit von einer abhängigen Beschäftigung kommt es nicht nur auf die vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien, sondern primär auf die tatsächlichen Verhältnisse an (vgl. § 611a Abs. 1 Satz 6 BGB).

Generell gilt, dass die unselbstständige Tätigkeit geprägt ist von der persönlichen Abhängigkeit des Beschäftigten, während bei der selbstständigen Tätigkeit das unternehmerische Risiko bzw. die unternehmerische Entscheidungsfreiheit im Vordergrund steht.

Für eine entsprechende Beurteilung der Vertragsbeziehung sind in der Rechtsprechung vielzählige Kriterien in Form von Indizien für das Vorliegen einer selbstständigen bzw. nicht selbstständigen Tätigkeit entwickelt worden. Als entscheidend wird angesehen, wo der Schwerpunkt liegt, was anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände zu ermitteln ist.[8] Dabei ist bei jedem Einzelfall, also bei der jeweiligen Vertragsbeziehung, eine Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller Umstände vorzunehmen (vgl. § 611a Abs. 1 Satz 5 BGB).[9]

Regelmäßig werden in der Rechtsprechung insbesondere die folgenden Indizien für die Abgrenzung herangezogen[10] (die Auflistung ist nicht abschließend und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit):

 

·        Weisungsrecht/ Weisungsgebundenheit nach Zeit, Ort Dauer und Art der Tätigkeit

Ist ein Auftragnehmer an Weisungen des Auftraggebers gebunden, so spricht dies generell eher für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses. Je weniger der Beauftrage die Umstände seiner Tätigkeit – bzgl. Zeit, Ort, Dauer und Art – selbst bestimmen kann, desto eher liegt ein Arbeitsverhältnis vor. Insbesondere spricht eine geregelte Arbeitszeit für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung.

 

·        Pflicht zur höchstpersönlichen Leistungserbringung

Ist eine Person zur höchstpersönlichen Leistungserbringung verpflichtet, so legt dies eher ein Arbeitsverhältnis nahe, da es sich um ein typisches Merkmal eines Arbeitsverhältnisses handelt (nach § 613 Satz 1 BGB hat der Vertragspartner im Zweifel die Tätigkeit persönlich vorzunehmen). Wenn dagegen eine Berechtigung zur Leistungserbringung durch Dritte vorliegt, so liegt die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit näher.

 

·        Recht zur Ablehnung angebotener Aufträge/ Anspruch auf Auftragserteilung

Besteht eine generelle Verpflichtung, alle vom Auftraggeber zugewiesenen Aufgaben auszuführen, so ist dies ein Indiz für ein Arbeitsverhältnis.

 

·        Eingliederung in einen fremden Betrieb/ Eigene Betriebsstätte

Die Eingliederung in einen fremden Betrieb derart, dass beispielsweise eine Eintragung in einem Dienstplan, eine Anwesenheitspflicht o.ä. vorliegt, spricht eher für ein Arbeitsverhältnis.

Eine eigene Betriebsstätte spricht eher für eine selbstständige Tätigkeit.

 

·        Nutzung fremder oder eigener Arbeitsmittel

Wenn eine Person von anderen Mitarbeitern oder von technischer Ausrüstung bzw. Arbeitsmitteln des Auftraggebers abhängig ist, so spricht dies eher für ein Arbeitsverhältnis. Auch spricht es für ein Arbeitsverhältnis, wenn der Auftraggeber einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellt.

 

·        Einsatz gesamter Arbeitskraft

Liegt eine die ganze Arbeitskraft des Beschäftigten bindende Tätigkeit vor, so liegt ein Arbeitsverhältnis eher vor. Wenn aber eine Verpflichtung zur vollen Arbeitskraftleistung nicht besteht und die Person noch Ressourcen für andere Tätigkeiten hat, spricht dies eher für eine Selbstständigkeit.

 

·        Art der Tätigkeit

Bei einer untergeordneten, einfachen Arbeit ist eher von einer Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation anzunehmen als bei gehobenen Tätigkeiten.

 

·        Meldepflichten bei Krankheit oder sonstiger Abwesenheit

Eine Pflicht zur Meldung wegen urlaubs- oder krankheitsbedingter Abwesenheit spricht eher für ein Arbeitsverhältnis.

 

·        Gewerbeanmeldung

Das Vorliegen einer Gewerbeanmeldung spricht eher für eine selbstständige Tätigkeit.

 

·        Unternehmerisches Auftreten gegenüber Dritten

Tritt eine Person nach außen unabhängig von einer dritten Person als Unternehmer auf, indem er etwa eine eigene Webseite verwendet, eigene Geschäftsbedingungen einsetzt, eigene Visitenkarten oder einen eigenen Briefkopf hat, spricht dies eher für eine Selbstständigkeit.

 

·        Unternehmerrisiko

Das Vorliegen eines erheblichen unternehmerischen – finanziellen – Risikos spricht als starkes Indiz generell eher für eine Selbstständigkeit.

 

·        Vorgaben zu Personal/ eigene Beschäftigte

Eine Befugnis zur Delegierung von Tätigkeiten auf Dritte ist dann als Indiz für eine Selbstständigkeit zu werten, wenn auch tatsächlich eine Delegierung der Tätigkeiten möglich ist und diese auch umgesetzt wird.

Ein Verbot, Angestellte einzustellen spricht eher gegen eine Selbstständigkeit.

Hat der Auftragnehmer eigene Angestellte, spricht dies eher für eine Selbstständigkeit; hierbei sind jedoch geringfügig Beschäftigte (unter EUR 450,00) nicht zu zählen.

 

·        Vergütungsregelungen

Ist die Vergütung an den tatsächlichen Erfolg der Tätigkeit gebunden, spricht dies eher gegen ein Arbeitsverhältnis. Eine feste – z.B. monatliche – Vergütung spricht eher für eine abhängige Beschäftigung.

 

·        Eng angelegte Kontrollen des Auftraggebers

Kontrollen der Tätigkeiten durch den Auftraggeber haben in der Regel keine Indizwirkung, da sie sowohl im Arbeitsverhältnis als auch bei selbstständiger Tätigkeit üblich sind. Werden Kontrollen aber sehr eng angelegt und sind mit Anweisungen verbunden, so kann dies eher für ein Arbeitsverhältnis sprechen.

 

4.          Rechtsprechung zu Kameraleistungen in der Fernsehproduktion

Bei der Beurteilung von Tätigkeitsverhältnisses von Kameramännern/ -frauen werden grds. die oben aufgeführten Kriterien der Rechtsprechung herangezogen. In der Rechtsprechung finden sich ergänzende, spezielle Kriterien, die die Eigenheiten der Kamerabranche/ Fernsehproduktionsbranche berücksichtigen.[11]

 

·        Wird der Auftragnehmer projektbezogen tätig, werden die Konditionen für die jeweiligen Projekte werden unterschiedlich ausgehandelt und besteht keine Rahmenvereinbarung mit einer Produktionsfirma, spricht dies eher für eine Selbstständigkeit.

 

·        Wenn der Auftragnehmer frei ist in der Entscheidung, ob er ein Projekt/ einen Auftrag annimmt, liegt eine Selbstständigkeit näher.

 

·        Nutzt der Auftragnehmer eine eigene Filmausrüstung sowie einen eigenen PKW zur Ausführung des Auftrags, liegt eine Selbstständigkeit näher.

 

·        Eine Selbstständigkeit liegt näher, wenn bei der Produktionsfirma keine Angestellten tätig sind, die dieselben Arbeiten ausführen wie der Auftragnehmer.

 

·        Eine Selbstständigkeit liegt näher, wenn die Produktionsfirma keinen Einfluss auf die Bildgestaltung oder die technische Umsetzung der Ideen zur Bildgestaltung hat.

 

·        Eine programmgestaltende Tätigkeit des Auftragnehmers spricht eher für eine Selbstständigkeit. Programmgestaltend tätig ist, wer Einfluss darauf nimmt, wie das Endprodukt, also der Film, letztlich aussieht, indem er seine eigene Auffassung zu künstlerischen Fragen, seine Fachkenntnisse und Informationen sowie seine individuelle künstlerische Befähigung und Aussagekraft in die Sendung einbringt. Es muss dabei der schöpferische Eigenanteil/ die gestalterische Freiheit überwiegen. Bei Filmmaterial zu kurzen Nachrichtenbeiträgen beispielweise ist keine programmgestaltende Leistung gegeben.[12]

 

·        Bei einer selbstständigen Tätigkeit darf sich Kameratätigkeit nicht darauf beschränken, auf Weisungen (etwa über Kopfhörer) Bildmaterial zu liefern, welches dann von der Regie zu einer Berichterstattung zusammengesetzt wird.[13]

 

·        Bei einer selbstständigen Tätigkeit dürfen die Vorgaben der Produktionsfirma insbesondere nicht so weit gehen, dass die gestalterische Freiheit von Kameramännern/ -frauen eingeschränkt ist. Es ist zwar zulässig, dass die Kameraleistung Vorgaben des Drehbuchs und Vorstellungen des Redakteurs hinsichtlich des Films im Wesentlichen zu entsprechen hat. Die Kameraführung muss aber in der Verantwortung des Kameramannes/ der Kamerafrau sein.[14]

 

·        Zudem ist es auch bei selbstständigen Tätigkeiten anerkannt, dass Vorgaben hinsichtlich Ort und Zeit notwendig sind, da eine Fernsehproduktion in einem Team erfolgt.

 

·        Gegen eine Selbstständigkeit von Kameraleuten spricht es in der Regel, wenn für eine Produktion auf einen Pool mit vielen Kameraleuten zurückgegriffen werden kann, so dass es nicht auf die spezifischen, unersetzbaren Fertigkeiten eines Kameramannes/ einer Kamerafrau ankommt.[15]

 

·        Im Gegensatz zu Kameramännern/ -frauen ist bei Kameraassistenten allerdings davon auszugehen, dass diese in der Regel weisungsgebunden arbeiten.

 

5.          Arbeitnehmerähnliche Personen

Ergibt eine Gesamtabwägung, dass eine selbstständige Tätigkeit vorliegt, ist stets weitergehend zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine sogenannte „arbeitnehmerähnliche Person“ vorliegen. Arbeitnehmerähnliche Personen unterliegen – anders als Scheinselbstständige – zwar nicht der Gesamtsozialversicherungspflicht. Sie sind aber nach § 2 Satz 1 Nr. 9 Sechstes Sozialgesetzbuch (SGB VI) rentenversicherungspflichtig:

 

§ 2 Selbständig Tätige

Versicherungspflichtig sind selbständig tätige

[…]

9. Personen, die

a) im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und

b) auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind; bei Gesellschaftern gelten als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft.“

 

Eine Definition zu arbeitnehmerähnlichen Personen findet sich in § 12a Tarifvertragsgesetz (TVG). Die in dieser tarifrechtlichen Norm aufgeführten Kriterien sind anerkanntermaßen verallgemeinerungsfähig[16]:

 

§ 12a Arbeitnehmerähnliche Personen

(1) Die Vorschriften dieses Gesetzes gelten entsprechend

1. für Personen, die wirtschaftlich abhängig und vergleichbar einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig sind (arbeitnehmerähnliche Personen), wenn sie auf Grund von Dienst- oder Werkverträgen für andere Personen tätig sind, die geschuldeten Leistungen persönlich und im Wesentlichen ohne Mitarbeit von Arbeitnehmern erbringen und

a) überwiegend für eine Person tätig sind oder

b) ihnen von einer Person im Durchschnitt mehr als die Hälfte des Entgelts zusteht, das ihnen für ihre Erwerbstätigkeit insgesamt zusteht; […]“

 

Wenn eine Person als arbeitnehmerähnlich kategorisiert wird, resultieren hieraus insbesondere arbeitnehmerähnliche Rechte gegenüber dem Auftraggeber. Dazu gehören ein Ansprüche auf bezahlten Urlaub (§ 2 Satz 2 BurlG) sowie Bildungsurlaub (z.B. § 2 Satz 2 AwbG NRW), Pflegezeit (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 PflegeZG), betriebliche Altersversorgung (§ 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG), mögliche tarifrechtliche Regelung des Beschäftigungsverhältnisses (§ 12a TVG) und der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist eröffnet (§ 5 Abs. 1 Satz 2 Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG).

Für arbeitnehmerähnliche Person gelten aber insbesondere nicht das Kündigungsschutzgesetz (KSchG), der besondere Kündigungsschutz nach dem MuSchG, § 9, das Teilzeitbefristungsgesetz (TzBfG) und die Rechte beim Betriebsübergang (§ 613a BGB).[17]

 

 


[1] Vgl. Reufels, in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, 3. Auflage 2015, Kap. 4 Rn. 60.

[2] Vgl. BFH, Urteil vom 29.10.1993, VI R 26/92, BB 1994, 343.

[3] Vgl. BFH, Urteil vom 21.02.1992, VI R 41/88. NJW 1992, 2587.

[4] Vgl. Reufels, in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, 3. Auflage 2015, Kap. 4 Rn. 51 ff.

[5] Vgl. Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 76. Auflage 2017, § 611a BGB, Rn. 2.

[6] Vgl. BAG, Urteil vom 30.11.1994, 5 AZR 704/93, NZA 1995, 622.

[7] BAG, Urteil vom 15.02.2012, 10 AZR 301/10, NJW 2012, 2903.

[8] Vgl. BGH, Urteil vom 20.01.1964, VII ZR 204/62, VersR 1964, 331; BGH, Urteil vom 11.03.1982, I ZR 27/80, NJW 1982, 1757.

[9] Vgl. BAG, Urteil vom 09.06.2010, 5 AZR 332/09, NJW 2010, 2455.

[10] Vgl. Lücke, in: Hümmerich/Lücke/Mauer, Arbeitsrecht, 8. Auflage 2014, Kap. 2 Rn. 306.

[11] Vgl. etwa LSG NRW, Urteil vom 28.03.2012, L 8 R 156/09; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 01.12.2015, 1 Sa 439 b/14; SG München, Endurteil vom 16.03.2017, S 31 R 388/16s; SG Kiel, Urteil vom 14.03.2013, S 10 KR 358/10.

[12] Vgl. LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 01.12.2015, 1 Sa 439 b/14.

[13] Vgl. LSG NRW, Urteil vom 28.03.2012, L 8 R 156/09.

[14] Vgl. LSG NRW, Urteil vom 28.03.2012, L 8 R 156/09; SG Kiel, Urteil vom 14.03.2013, S 10 KR 358/10.

[15] Vgl. LSG NRW, Urteil vom 28.03.2012, L 8 R 156/09.

[16] Vgl. Reufels, in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, 3. Auflage 2015, Kap. 4 Rn. 65.

[17] Vgl. Reufels, in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, 3. Auflage 2015, Kap. 4 Rn. 68 f.