Faktischer Geschäftsführer [Stand 01.07.2017]

Geschäftsführer ist zunächst die als Geschäftsführer im Handelsregister für eine GmbH eingetragene natürliche Person.

Gelegentlich wird ein Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen, der nur pro forma diese Position erfüllen soll. Tatsächlich werden die Geschäftsführertätigkeiten durch einen Dritten wahrgenommen, einen sogenannten "faktischen Geschäftsführer". Die Bezeichnung dieses Hintermannes ist im englischen Raum für den Nicht-Juristen etwas plastischer, dort heisst er "shadow director". Der eingetragene Geschäftsführer kann je nach Gesamtgestaltung auch als "Strohmann" tituliert werden.

Wann eine Person als faktischer Geschäftsführer einzustufen ist, ist aus einer umfassenden Bewertung der Gesamtumstände des jeweiligen Einzelfalles zu ermitteln. Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG, GmbHR 1997, 453) hat zur Erleichterung der Vorzunehmenden Bewertung einmal einen Kriterienkatalog aufgestellt. Folgende Kriterien sind dazu mindestens zu prüfen:

  • Wird durch den Dritten die Unternehmenspolitik und die Unternehmensorganisation maßgeblich bestimmt/beeinflußt?
  • Wird die Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern zumindest auch durch den Dritten vorgenommen?
  • Werden Geschäftsbeziehungen zu Vertragspartnern und Kreditgebern durch den Dritten gestaltet und verhandelt?
  • Werden durch den Dritten Entscheidungen in Steuerangelegenheiten getroffen und die Buchhaltung gesteuert?

Sind alle 4 Kriterien für die Person eines nicht als Geschäftsführer bestellten Dritten zu bejahen, soll danach eher eine faktische Geschäftsführung vorliegen. In Einzelfällen je nach Gesamtbild auch schon dann, wenn nur drei der vier Kriterien erfüllt sind.

Der BGH legt sich bislang nicht auf einen statischen Kriterienkatalog fest. Nach der Rechtsprechung des BGH muss einer Bewertung des jeweiligen Gesamtbildes stattdessen ergeben, dass der faktische Geschäftsführer Geschäftsführerfunktionen in maßgeblichem Umfang übernommen hat, was mit

  • „ein Übergewicht“ (BGH, Urteil vom 19. April 1984-1 StR 736/83, StV 1984, 461f.),
  • „eine überragende Stellung“ ( BGH, Urteil vom 22. September 1982 - 3 StR 287/82, BGHSt 31, 118, 120) oder
  • „das deutliche Übergewicht“ (BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2012 - 5 StR 407/12 mwN)

in - im Wesentlichen sprachlichen - Nuancen unterschiedlich umschrieben wird, vgl. BGH 23.01.2013, 1 StR 459/12.

Hintergrund der faktischen Geschäftsführung kann vieles sein. Denkbar ist, dass der faktische Geschäftsführer wegen eines Wettbewerbsverbots nicht öffentlich erscheinen darf oder dass der faktische Geschäftsführer die Geschäftsführerhaftung für sich umgehen möchte.

Für den faktischen Geschäftsführer gelten die selben Pflichten, die auch dem ordentlichen Geschäftsführer per Gesetz und Rechtsprechung auferlegt werden.

So kann der faktische Geschäftsführer beispielsweise wegen Insolvenzverschleppung in Anspruch genommen werden, vgl. BGH 23.01.2013, 1 StR 459/12. Den faktischen Geschäftsführer treffen auch die den strafrechtlichen Untreuetatbestand begründende Treuepflichten, vgl. BGH 13.12.2012, 5 StR 407/12.

Ein faktischer Geschäftsführer kann sich so bei Eintreten einer Krise - und auch bei Handlungen gegen die von ihm faktisch geleitete Gesellschaft - sehr schnell in einer unbequemen (Haftungs-)Situation befinden.